Die Inscyd Leistungsdiagnostik im Detail

4 Februar 2020
6 min read

Was ist Inscyd?

Inscyd ist eine neu entwickelte Leistungsdiagnostik, mit der Grundidee, den Körper und dessen Leistung in all seine einzelnen „Bestandteile“ zu zerlegen und so detaillierte Aufschlüsse über Trainingsansätze und Trainingsbereiche zu erlangen. Mit Bestandteile sind vor allem die beiden Kerngrößen der physischen Ausdauerleistungsfähigkeit, die VO2max und die sogenannte maximale Laktatbildungsrate VLAmax gemeint.

Inscyd versucht – genau wie wir von Diagnose Berlin – den Komplex Leistungsdiagnostik eine Ebene tiefer zu bringen. Während „herkömmliche“ Leistungsdiagnostiken sich vor allem auf das „Was“ (kann ein Sportler und was nicht) konzentrieren, versucht Inscyd vor allem das „Wie“ (kann ein Sportler diese und jene Leistung realisieren) aufzuschlüsseln. Dieser Ansatz macht vor allem deshalb Sinn, weil im Zeitalter von allgegenwärtigen Powermetern und TrainingPeaks etc. die meisten Menschen das „Was“ schon sehr gut selbst kennen, nicht aber das „Wie“ und „Warum“ dahinter verstehen. 

Inscyd Unterschiede zu herkömmlichen Leistungsdiagnostik

Wie genau wird eine Inscyd Leistungsdiagnostik durchgeführt?

Die Inscyd Leistungsdiagnostik ist ein Testverfahren welches im Labor oder (mit mehr oder weniger qualitativ gleichem Outcome) auch im Feld – also auf der Straße an jedem Ort dieser Welt – durchgeführt werden kann.

Dabei werden mehrere Einzelbelastungen, quasi Intervalle gefahren, an deren Ende jeweils immer das maximal gebildete Laktat gemessen wird. Im klassischen Inscyd Setting werden 4 verschiedene Intervalle empfohlen, das System kann aber theoretisch um verschiede Intervalle ergänzt oder verändert werden. Dabei ist es auch möglich diese Intervalle zu splitten, also z.B. an 2 aufeinanderfolgenden Tagen in einem Training durchzuführen.

Inscyd Leistungsdiagnostik Testing Protokoll

Jedes Intervall wird dabei selbstständig und unabhängig von den anderen Intervallen betrachtet und ausgewertet. Es ist daher sehr wichtig zwischen den Intervallen immer wieder einen „Nullzustand“ herzustellen, d.h. so viel Pause zu machen, dass der Körper inklusive den physiologischen Systemen (Sauerstoffaufnahme, HF, Laktat, …) wieder auf einen nahezu Ruhezustand zurückkehrt (dies kann durchaus 10-20min dauern). Diese Tatsache kann die Leistungsdiagnostik methodisch etwas länger und organisatorisch etwas kniffliger machen und ist auch erfahrungsgemäß die häufigste Ursache für Misinterpretationen mit dem Messsystem.

Doch wie „misst“ die Inscyd Leistungsdiagnostik physiologische Parameter?

Die spannendste Frage ist sicherlich: Wie kann Inscyd letztendlich die VLamax bestimmen und wie ist es möglich eine VO2max bestimmen ohne die Sauerstoffaufnahme gemessen zu haben?

Der Grundansatz von Inscyd basiert auf einer mathematischen Modellierung. Übersetzt heißt das: Es liegt die Annahme zugrunde, dass der Körper und seine Stoffwechselprozesse in mathematischen Funktionen abbildbar, also quasi „berechenbar“ sind, wenn man alle Variablen der Gleichungen kennt.

Erste Annahme: Linearität des VO2 Bedarfs

Betrachtet man spirometrische Leistungsdiagnostiken von Sportlern z.B. bei Stufentests in den niedrigen Intensitätsstufen (noch deutlich entfernt von der Anaeroben Schwelle), stellt man fest, dass die Sauerstoffaufnahme linear mit der Leistung steigt. Das heißt, bei 100W „benutzt“ der Sportler z.B. 1400ml O2, bei 150W dann 2000ml und bei 200W dann 2600ml. Je 50W steigt die Sauerstoffaufnahme des Sportlers also gleichbleibend um 600ml. Oder auf 1 Watt umgerechnet: Pro Watt benötigt der Sportler 12ml O2.

Leistung in WattBedarf an Sauerstoff
100W1400 ml/min
150W2000 ml/min
200W2600 ml/min
/50W600ml/min
/1W12ml/min

Diese lineare Abhängigkeit gibt es bei jedem Sportler und ist in einer Leistungsdiagnostik bestimmbar. Sie ist in geringem Maße abhängig von der Bewegungsqualität (es gibt also so etwas wie eine „Radökonomie“), schwankt aber meistens nur wenig (hier besteht ein großer Unterschied zum Laufen) und liegt i.d.R. zwischen 11,5 bis 12,5 ml O2 pro Watt.

Kennt man diese lineare Funktion (und wenn man keine VO2 messen konnte, geht man – so wie im Falle von Inscyd – erstmal von z.B. 12ml/W als Richtwert aus), kann man also den theoretischen Sauerstoffbedarf bei jeder Leistung X ausrechnen. In dem oben dargestellten Sportler würde man z.B. annehmen, dass er um eine Leistung von 400W zu fahren (insofern er diese als rein aerobe Leistung produzieren würde) insgesamt 400 x 12 = 4800ml O2 bräuchte.

VO2 Slope beim Radfahren

Zweite Annahme: Laktatäquivalent

Nun wird man sehr wahrscheinlich feststellen, dass der Sportler keine 400W leisten kann, bzw. wenn er es kann und man die Sauerstoffaufnahme misst, würde man beobachten, dass der Sportler bei diesen 400W bei einer geringeren Sauerstoffaufnahme landet. Wie kann das sein? Woher kommt die Leistung, wenn nicht aus dieser aeroben Umwandlung von Sauerstoff in Leistung?

Die Antwort liegt in dem Laktat!

Jeder Sportler kann neben dem aeroben System auch über das anaerobe System, also die Umwandlung von Kohlenhydraten zu Laktat (über Pyruvat), Energie produzieren.

Dabei gibt es einen weiteren, mathematisch beschreibbaren Zusammenhang: Jede gebildete „Laktateinheit“ lässt sich theoretisch in eine entsprechende Menge Sauerstoff zurückrechnen. Da Laktat in relativen Konzentrationen (wieviel Laktat in welcher Menge Flüssigkeit) angegeben wird, muss auch der Sauerstoff relativiert werden (auf das Körpergewicht). 

Laktatäquivalent1 mmol/l/min Laktat2,5 ml/kg/min O2
5min @ 300W0,8 mmol/l/min Laktat2 ml/kg/min O2
5min @ 400W1,4 mmol/l/min Laktat3,5 ml/kg/min O2
3min @ 460W4,2 mmol/l/min Laktat10,5 ml/kg/min O2
1min @ 600W9 mmol/l/min Laktat22,5 ml/kg/min O2

Hier geht man davon aus, dass pro 1mmol/l/min gebildetes Laktat ca. 2,5ml/kg/min O2 „ersetzt“ wurden. Es lässt sich also auch folglich über das entstandene Laktat eines Belastungsintervalls zurückrechnen, wieviel der Leistung tatsächlich aus dem aeroben und wieviel aus dem anaeroben System realisiert wurde.

In unserem Rechenbeispiel des Sportlers konnten wir bei dem 5min 400W Intervall ein maximales Nachbelastungslaktat von 8mmol/l messen. 1mmol/l war der Ausgangswert vor Start des Intervalls, gebildet wurden also letztlich durch die Belastung nur 7mmol/l über 5min, gleich 1,4mmol/l/min. Dieser Wert entspricht nach unserer Rechnung (1,4 x 2,5 =) 3,5ml/kg/min. Um auf die absolute Menge an O2 zurückzuschließen, muss dieser Wert lediglich mit dem Körpergewicht multipliziert werden. Nehmen wir an der Sportler wiegt 75kg, dann entspricht das 263ml O2.

Inscyd Berechnung der Laktatbildungsrate

Statt den errechneten 4800ml O2 Bedarf, „nutzt“ der Sportler also bei der Belastung tatsächlich nur 4537ml O2 (dies würde 94% der Gesamtenergie entsprechen).

Physiologische Stoffwechselmodellierung der Inscyd Leistungsdiagnostik

Kennt man dieses Aerob / Anaerobe Verhältnis (über eine wiederholte Berechnung der Szenarien anhand des maximal gemessenen Laktats wie oben beschrieben) bei diversen Intensitäten, von niedrig bis maximal, so lässt sich das „gesamte Bild“, also die beiden Funktionen des aeroben und des anaeroben Systems mathematisch ableiten. Inscyd fittet mit einem komplexen Algorithmus die beiden Systeme so, dass alle gemessenen Szenarien in einem plausiblen Zusammenhang stehen und leitet so entsprechend die beiden Kernvariablen, die VO2max und die VLamax ab.

Sobald diese beiden Kernvariablen bekannt sind, ist der Komplex des individuellen Stoffwechselverhaltens mehr oder weniger komplett entschlüsselt. Es ergibt sich z.B. automatisch logisch der Bereich maximaler Fettoxidation (Fettmax), was letztlich die größte Differenz der beiden Systeme darstellt (also quasi die größte Entfernung der beiden Kurven im Schaubild). Ebenfalls lässt sich das maximale Laktat Steady-State (MaxLaSS) ableiten, welches durch den Schnittpunkt der beiden Kurven (der Punkt an dem die anaerobe Laktatproduktion die aerobe Laktateliminierung übersteigt) identifiziert werden kann.

Physiologisches Profiling mit Inscyd

Das ist der Nutzen bzw. Mehrwert der Inscyd Leistungsdiagnostik

Der riesige Vorteil einer solchen Leistungsdiagnostik bzw. der komplexeren Betrachtungsweise dieser Zusammenhänge ist die wesentlich fundiertere Entscheidungsfindung bei der Trainingssteuerung und Trainingsauswahl.

Da man durch das Gesamtbild die Stoffwechselprozesse in jedem erdenklichen Belastungsszenarium „errechnen“ kann, lässt sich folglich in jeder dieser Situation planen, was im Körper wirklich vorgeht. Dieses Wissen kann man dann wiederum nutzen um wesentlich bessere und genauere Entscheidungen treffen, was das Training angeht

Gerade bei Intervalltraining zur Steigerung der VO2max ist das z.B. sehr wesentlich. Viele Sportler rechnen „pauschal“ mit gewissen Prozentsätzen der (ebenfalls meist nur angenommenen) Anaeroben Schwelle oder trainieren gar nach dem „Viel hilft viel“ Prinzip (Warum ein 5min Intervall bei 320W fahren, wenn ich auch 340W schaffe?). Mit Inscyd ist es möglich, individuell präzise zu bestimmen, wo eine wirklich perfekte Stimulierung des aeroben Systems stattfindet und wo nicht.

Vor und Nachteile der Inscyd Leistungsdiagnostik gegenüber den klassischen Verfahren

Wir hoffen, wir konnten mit diesem Artikel Aufklärung darüber bieten, wie die Inscyd Leistungsdiagnostik arbeitet und funktioniert.

Die Vorteile des Inscyd Testprinzips liegen klar auf der Hand. Leistungsdiagnostik wird plötzlich überall und zu jeder Zeit zugänglich. Man kann theoretisch (und so findet es in der Realität auch praktisch statt) in einer Trainingseinheit zwei Intervalle einbauen und sich selbst (oder von einem Trainer/Betreuer) Laktat abnehmen et voilà… schon ist man wieder schlauer und weiß wie der Körper sich verhält. Gerade für Pro Teams, wo im Prinzip der Organisationsaufwand einer Labordiagnostik die größte Hürde darstellt, ist das ein wesentlicher Plusplunkt.

Inscyd Test am Berg draußen mit Diagnose Berlin

Zusätzlich ist die Abhängigkeit von spirometrischen Systemen nicht mehr gegeben. Wer nun denkt, „aber moment mal, mit einem teuren spirometrischen Messinstrument bekomme ich doch immer noch präzisere Messwerte erhoben!“, der sei gewarnt. Auch spirometrische Systeme haben nachgewiesener Maße oft einen Messfehler von 2-5%!

An der Stelle seien aber auch ein paar Nachteile bzw. Schwierigkeiten der Inscyd Leistungsdiagnostik erwähnt.

Der Test erfordert eine hohe Präzision vor allem beim Timing der Messungen. Es ist schnell passiert, dass man nicht sofort nach einem Intervall Laktat misst, sondern 40sek später und so (ohne es zu wissen) den tatsächlichen Maximalwert verpasst.

Ebenfalls „verleitet“ der Test dank seiner recht großen Flexibilität und Einfachheit dazu, etwas lapidar mit den Standardisierungen umzugehen. Vor allem das Einhalten der Pausen und Erreichen des physiologischen Nullzustands ist sehr wichtig für die korrekte Interpretation der Daten.

Dann ist der Test etwas abhängig von der Tagesform des Sportlers (was man als Vor- oder Nachteil sehen kann). Schafft es der Sportler an einem Tag nicht sein Maximum zu leisten und alle Beteiligten gehen aber davon aus, kann der Inscyd Test fehlinterpretieren.

Du willst dich auch mit der Inscyd Leistungsdiagnostik testen lassen? Wir können den Test sowohl bei uns im Labor wie auch im Feld mit dir realisieren!


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