FTP Test – Rad Studie zur Genauigkeit der Functional Threshold Power

27 November 2018
7 min read

Wie genau funktioniert der FTP Test als Tool zur Trainingssteuerung?

Eignet sich der FTP Test als Leistungstest und kann man die Functional Threshold Power nutzen um wattbasiertes Radtraining auszurichten? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, führten wir eine eigens konzipierte Studie zum FTP Test durch. Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Trainingswissenschaften der HU Berlin und der Charité Berlin und lieferte einige wegweisende Ergebnisse.

 

All Out bei FTP Test Studie

 

Functional Threshold Power und der FTP Test

Die Functional Threshold Power ist als die Leistung definiert, welche eine Person für 60 min am Limit fahren kann. Dieser Wert ist deshalb so interessant da laut dem Entwickler dieses Modells diese maximale 60 min Leistung ziemlich genau der Leistung an der anaeroben Schwelle entsprechen soll. Aufwendige physiologische Messungen zur Bestimmung der anaeroben Schwelle sollen durch einen FTP Test hinfällig werden.

Die Idee des FTP Test ist schnell erklärt. Statt aufwendiger physiologischer Tests und Parameter, braucht man lediglich einen Wattmesser am Rad und fährt damit einen All-Out Test. Um seine FTP zu bestimmen müsste man nun also „einfach“ 60 min am Anschlag fahren. Eine Vorgabe, die sich in der Praxis allerdings sehr schwer umsetzen und noch schwieriger reproduzieren lässt.

So behalf man sich mit einem „Trick“: Beim sogenannten FTP Test (oder auch CP20 Test) fährt man nun mehr nur 20 min am Anschlag und kann dann seine Functional Threshold Power „berechnen“. Es wird davon ausgegangen, dass die durchschnittliche 20 min Leistung, multipliziert mit dem Faktor 0,95 letztendlich die 60 Minuten Leistung „vorhersagen“ kann. In unserer Studie gingen wir dem FTP Test und dieser Formel genauer auf den Grund.

 

FTP-Test-TrainingPeaks
Abbildung 1: Klassisches FTP-Protokoll mit Aufwärmphase und 20-minütigem Testintervall

 

Studiendesign zur Überprüfung des FTP Test

In unserer Studie ging es uns darum herauszufinden:

  1. Wie genau lässt sich ein FTP Test Ergebnis wiederholen?
  2. Kann der 20min FTP Test wirklich die 60min FTP Leistung vorhersagen?
  3. Entspricht die bestimmte 60min FTP Leistung wirklich der anaeroben Schwelle?

Um dies zu überprüfen ließen wir 19 Probanden zunächst zwei FTP Tests im Abstand von einer Woche fahren. Training und Ernährung wurden vor jedem Test komplett gleich eingestellt und der Testzeitpunkt (Wochentag und Uhrzeit) wiederholt. Damit konnten wir ausschließen, dass der akute Trainingszustand und weitestgehend auch die Tagesform einen Einfluss auf das Testresultat hatten. Sollte der FTP Test reliable (also zuverlässige) Ergebnisse produzieren, müssten die Resultate des ersten und des zweiten Tests nahezu identisch sein.

 

FTP-Test-Probanden
Abbildung 2: Der Aufbau unserer FTP-Reliabilitätsstudie

 

Von unseren 19 Probanden kategorisierten wir 10 als Hobby Radfahrer. Einschlusskriterium hierfür war eine durchschnittliche Mindestanzahl von 6 oder mehr Trainingsstunden pro Woche auf dem Rad (Gruppe RAD). Die restlichen 9 Probanden kamen aus unterschiedlichen Mannschaft- oder Individualsportarten, waren alle mit mehr als 6 Stunden Training in der Woche prinzipiell Fit, hatten aber keinerlei Erfahrung mit dem Radfahren als sportliche Betätigung (Gruppe FIT).

Keiner der Probanden hatte vor der Studie konkrete Erfahrungen mit dem FTP-Test oder anderen konkreten Leistungstests. Alle Probanden wurden mit dem offiziellen Protokoll zum FTP-Test (siehe Abbildung 1) vertraut gemacht und gleichermaßen instruiert.

Frage 1: Wie genau ist der FTP Test in einer Wiederholung?

Alle 19 Probanden der beiden „FIT“ und „RAD“ Gruppen führten zwei FTP Tests im Abstand von einer Woche unter gleichen Bedingungen durch.

Die mittlere Leistung des ersten Durchgangs FTP-Test 1 lag bei der Gruppe FIT im Durchschnitt bei 218 W und bei der Gruppe RAD bei 248 W. In beiden Gruppen konnte man trotz der sehr unterschiedlichen Radsporterfahrung zwei Szenarien während des FTP-Tests beobachten. Es gab Probanden, die sofort sehr gut mit dem FTP-Test klar kamen und eine hohe Testqualität erzeugten (diese Probanden fuhren sehr gleichförmig und holten wirklich alles aus sich raus). Andere Probanden hatten dagegen sichtlich Schwierigkeiten die richtige Intensität und einen Rhythmus zu finden.

Interessant wurde es dann mit der Durchführung des zweiten FTP-Tests. Der einzige Unterschied für alle Probanden bestand ausschließlich in der gerade erst gewonnen Erfahrung aus FTP-Test 1. Die Gruppe FIT erzielte nun in FTP-Test 2 eine mittlere Leistung von durchschnittlich 232 W und die Gruppe RAD von 264 W. Dies entspricht einer prozentualen Leistungssteigerung von 6,47% für die Gruppe FIT und 6,38% für die Gruppe RAD (Abbildung 3).

 

Abbildung 3: Testwiederholung eines FTP Tests führt zu durchschnittlich besseren Ergebnissen

 

Fazit 1: Der FTP-Test hat einen „Lerneffekt“

Die erste Erkenntnis lautet also: Die Testwiederholung führte in beiden Gruppen zu höheren Ergebnissen. Es ist zu vermuten, dass der Zugewinn an Erfahrung einen Einfluss auf das Abschneiden beim FTP-Test hat.

Damit ist der Test (zumindest für Einsteiger) nicht reliabel. Sprich, wer den Test in kurzem Abstand wiederholt und besser abschneidet, kann nicht mit Sicherheit aussagen, dass dies eine Folge des eigenen Trainings ist und zwangsläufig eine Leistungssteigerung erzielt wurde. Es ist viel mehr davon auszugehen, dass bei wiederholter Testdurchführung das bereits vorhandene Potenzial besser ausgeschöpft wurde.

Betrachtet man die individuelle Entwicklung in der Testwiederholung fällt auf, dass es durchaus Individuen gibt, die einen FTP Test auf den Punkt wiederholen können. Andere wiederum haben ein weniger stark entwickeltes Gefühl für die richtige Belastungseinschätzung und über- bzw. unterfordern sich (Abbildung 4). Wir vermuteten, dass diese Fähigkeit der Selbsteinschätzung mit der Radsporterfahrung korreliert, sahen aber keinerlei Zusammenhang zwischen entsprechenden Variablen.

 

Abbildung 4: Individuelle Entwicklung vom ersten auf den zweiten FTP Test

 

Frage 2: Kann der 20min FTP Test wirklich die 60min Functional Threshold Power bestimmen?

Um dies zu überprüfen, führten wir mit 18 unserer Probanden einen dritten Test durch (Training und Ernährung wurden wieder gleich eingestellt). Zunächst berechneten wir für jeden die individuelle 60min Functional Threshold Power gemäß Formel (20min Testergebnis x 0,95). Dann ließen wir jeden Probanden 60 min lang an dieser berechneten FTP Leistung fahren. Die Wattleistung wurde hierbei stets konstant gehalten.

Wenn der FTP Test genau ist und als „Prädiktor“ funktioniert, müsste es jeder Proband gerade so schaffen, 60 min am Limit durchzufahren.

Von diesen insgesamt 18 Probanden schafften es 6 Probanden (3 FIT, 3 RAD) nicht die 60 Minuten zu Ende zu fahren. Das Grundprinzip des FTP Modells, nämlich eine 60-minütige Leistung aus einem 20-minütigen Maximaltest vorherzusagen, funktionierte also tatsächlich nur für 2/3 aller Teilnehmenden.

 

FTP-Test-60min
Abbildung 2: Beispiel einer 60-min Validierung an der FTP

Fazit 2: Der FTP Test „überschätzt“ in 30% aller Fälle die 60min Leistung

Wer in den 20 Minuten eines CP20 Tests wirklich alles gibt und bis ans Äußerste geht, wird sehr wahrscheinlich mit dem errechneten 60min FTP Wert Probleme bekommen.

Der 20 Minuten FTP Test ist einer der meist verbreitetsten Tests um die Functional Threshold Power zu bestimmen. Nicht selten werden – von diesem FTP Wert ausgehend – Trainingsbereiche und Trainingseinheiten berechnet und skaliert. Es ist logisch nachzuvollziehen, dass in Fällen einer zu hoch eingeschätzten FTP auch nachfolgende Trainingseinheiten zu intensiv ausgesteuert werden.

 

FTP-Test-Dropout
Abbildung 3: Gültigkeitskriterien der 60min Validierung

 

Frage 3: Entspricht die 60min FTP wirklich der anaeroben Schwelle?

Um beurteilen zu können, wie die gefahrene 60min Leistung physiologisch realisiert wurde, haben wir während der Testung durchgehend verschiedene Parameter erhoben (Laktat, Spirometrie, HF).

Wir wollten herausfinden ob die Probanden im Verlauf der 60 min Dauertestung konstant bleibende Laktatwerte (ein sogenanntes Steady-State) aufweisen. Ein Laktat Steady-State stellt sich dann ein, wenn ein Proband unter seiner anaeroben Schwellenleistung fährt. Hier stehen Laktatauf- und abbau im Gleichgewicht. Bei maximaler Ausnutzung dieser Leistungsgrenze spricht man vom maximalen Laktat Steady-State (MaxLaSS).

Als wir die physiologischen Daten auswerteten, stellten wir fest, dass für 4 Probanden (1 FIT, 3 RAD) kein Steady-State vorlag, obwohl sie es über die 60 Minuten schafften. Diese Probanden konnten sich also gerade so über die 60min quälen, jedoch fuhren sie (wenn auch nur knapp) überschwellig.

 

FTP-Test-Laktatwerte
Abbildung 4: Laktatkonzentrationen im Verlauf der 60min Validierung

 

Fazit 3: Die Functional Threshold Power entspricht nicht zwangsläufig der Anaeroben Schwelle

Generell lässt sich in dieser Grafik sehr gut erkennen, dass der FTP-Test tendenziell das MaxLaSS überschätzt (Laktatwerte laufen nach oben aus der grauen Zone raus). Es gab aber auch Probanden – vorrangig aus der FIT Gruppe – die wahrscheinlich noch etwas mehr Leistung hätten erbringen können (Laktatwerte pendeln sich unterhalb der grauen Zone ein).

Dieses Ergebnis ist insofern spannend, da es untermauert, dass FTP und Anaerobe Schwelle nicht immer das Gleiche sein müssen. In der Realität können Leute die FTP physiologisch sehr unterschiedlich realisieren. Menschen mit hoher Affinität zur Laktatbildung werden sich wahrscheinlich mit hohen Laktatwerten durchquälen (weil sie es gewohnt sind). Menschen mit gutem aeroben System (VO2max) werden dagegen wahrscheinlich weniger Laktat produzieren.

Dies wird bei einer fundierten Trainingssteuerung sehr entscheidend. Es ist essentiell zu wissen, in welchem physiologischen Zustand sich ein Athlet befindet, während er gewisse Belastungen erfährt. Nur so lassen sich gezielte Trainingsreize setzen und Belastungsausmaß verstehen und nachvollziehen.

Fazit: Was bleibt vom FTP-Test?

Der FTP-Test kann keine fundierte physiologische Leistungsdiagnostik ersetzen. Er ermöglicht eine simple und sehr grobe Einschätzung der Leistungsfähigkeit, nicht mehr und nicht weniger.

Ein funktionaler Leistungstest wie der 20min FTP Test z.B. einer ist, hat durchaus seine Daseins Berechtigung. Auch wir nutzen funktionale Tests permanent im Feld. Lediglich Vorher-Nachher-Vergleiche verschiedener Testergebnisse sind nur bedingt möglich und auch das Rückschließen auf andere Leistungsbereiche (vor allem die 60-minütige Leistung) anhand schematischer Berechnungen kann nicht als zuverlässig angesehen werden.

Es macht absolut Sinn seine Leistung in regelmäßigen Abständen zu testen und zu beobachten. Die ständige Überprüfung einzelner funktionaler Leistungen aus Trainings- und Rennergebnissen (z.B. 5 sek, 30 sek, 5 min, 20 min und 60 min) von Zeit zu Zeit ist sehr aufschlussreich. Funktionale Daten zeigen WIE sich die Leistungsfähigkeit im Detail über die Zeit verändert. Aber gerade hier erkennt man oft die individuellen Besonderheiten und muss feststellen, dass eine Leistung in dem einen Bereich noch lange nicht die Leistung im anderen Bereich vorhersagt.

Wenn ihr eine genauere Analyse eurer physiologischen Leistungsfähigkeit bekommen wollt, helfen wir euch gerne mit einer Leistungsdiagnostik weiter.

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