In diesem Bericht erzählt Florian Angert seine Geschichte über die Zusammenarbeit mit uns und die Entwicklung seiner Triathlon Zeitfahrposition. Wir haben hier und da in blauer Schrift kommentiert, um den Artikel so als generellen „Ratgeber“ auf dem Weg zu einer optimalen Aeroposition zu nutzen.
Ich lernte Raphael als Kooperationspartner der Firma Sync Ergonomics kennen, für deren aerodynamisch optimierte Cockpits ich mich interessierte. Primär wollte ich meine Aerodynamik in der Zeitfahrposition verbessern und war bereit dafür neue Wege zu gehen. Nach einem Wettkampf in Dänemark Ende 2019 konnten wir uns dann schließlich treffen und beginnen an der Zeitfahrposition zu arbeiten.
Die Historie einer Zeitfahrposition
Ein großer Anteil lag zu Beginn unserer Zusammenarbeit in einem „Eingangscheck“ bei dem Raphael sich sehr viel Zeit nahm um mit mir über die „Historie“ meiner Sitzposition zu sprechen. Meine letztes Bikefitting hatte ich 2017 – seitdem hatte ich eigentlich eine „gefühlt“ gute Aeroposition, aber kleinere Wehwehchen bei langen Fahrten und im Wettkampf. Diese waren inzwischen so störend geworden, dass ein professioneller Blick sicherlich neue Erkenntnisse bringen würde.
Wir diskutierten gemeinsam mit Flo die möglichen Outcomes unserer Zusammenarbeit und wo uns das Bikefitting hinbringen sollte. Es war unser definiertes Ziel die Beschwerden in der Zeitfahrposition zu lindern und gleichzeitig die aerodynamische Performance zu erhalten bzw. sogar zu verbessern. Die Grundlage einer jeden effektiven Aeroposition ist die biomechanische Wirksamkeit und der „Komfort“. In einer Zeitfahrposition, die Beschwerden auslöst, kann es kaum möglich sein, wirklich dauerhaft und stabil aerodynamisch positioniert zu agieren.
Physiotherapeutische Analyse der zeitfahrspezifischen Fähigkeiten
Nach dem abgeschlossenen Eingangsgespräch folgte zusammen mit Physiotherapeutin Kristin Schuhknecht eine physiotherapeutische Anamnese und Analyse potenzieller Schwachstellen von Muskulatur und Beweglichkeit.
Wir bei Diagnose Berlin legen extrem viel Wert auf die Erfassung der körperlichen Fähigkeiten um daraus Möglichkeiten und „Baustellen“ der aktuellen Aeroposition abzuleiten. Gerade die Mobilität und neuronale Ansteuerung der hüftumliegenden Muskeln spielt eine essenzielle Rolle bei der Aeroposition und gibt in gewisser Weise den Rahmen der Möglichkeiten vor.
Das erste Fitting der Aeroposition
Nach dieser Erstanalyse und einer Vermessung der aktuellen Radposition starteten wir mit dem eigentlichen Fitting. Raphael analysierte mit mir zunächst die Sattellage und wir probiertem verschiedene Optionen aus. Ein Thema war hierbei die Sitzhöhe aber vor allem auch der Sattelnachsitz. So tasteten wir uns Schritt für Schritt an eine ideale Sitzposition heran, immer unter der Berücksichtigung meiner (zu diesem Zeitpunkt) möglichen Beweglichkeit und muskulären Fähigkeiten. Einmal den Punkt der idealen Sattelposition gefunden, testeten wir verschiedene Sattelmodelle in der gleichen Lage. Mit dem idealen Sattel an einer vielversprechenden Position gingen wir an den Umbau des Cockpits. Wir testeten ein neues Cockpit von Sync Ergonomics mit unterschiedlichen Überhöhungen und erneut in Kombination mit verschiedenen Sattelpositionen.
Sattelposition und Sattellage stehen in einer ständigen Wechselwirkung mit dem Cockpit. So kann man schließlich permanent die Länge und Überhöhung der Radposition über beide Enden – den Sattel oder das Cockpit – beeinflussen. Die Lage des Sattels richten wir sehr nach der Effektivität der Tretbewegung aus. Im fließenden Übergang muss dann das Cockpit so eingestellt werden, dass das Becken in seiner Lage und Funktion stabil arbeiten kann. Die meisten Zeitfahrer und Triathleten verfolgen den Ansatz „tiefer gleich schneller“. Häufig ist aber eine weniger überhöhte Cockpitposition effektiver, da die Hüfte in der Beugungsphase effektiver arbeiten kann und sich dadurch kompensatorische Haltemuskulatur des Oberkörpers häufig entspannt.
Die Nachbetreuung – Entwicklung der Aeroposition im Prozess
Der abschließende Test auf der Rolle war sehr vielversprechend, ich hatte das unmittelbare Gefühl mich in der Position „wohl zu fühlen“. Wie gut ich wirklich mit der Position auch im Freien klarkommen würde, sollte ich erst zu Hause nach ein paar Trainingsfahrten beurteilen und der Position Zeit geben. Ebenfalls gab Raphael mir einige Beweglichkeitsübungen mit, die ich ins tägliche Training integrieren sollte.
Wir nutzen sowohl während des Fittings als auch in der Nachbetreuungsphase ein Tool von Leomo mit Lagesensoren. Mit dem Leomo wird die Lage und Bewegung des Körpers, vor allem des Beckens auf dem Rad aufgezeichnet. Hierdurch können wir die Stabilität einer Aeroposition im Feld bemessen und auch anschließende Fahrten draußen mit der Situation im Labor vergleichen. Für uns wie für Flo war dieses Device ein wichtiges Tool um fortlaufend ferndiagnostisch mit Flo an der Position zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen.
Nach einer erfolgreichen Eingewöhnungsphase und mehreren guten Wettkämpfen (unter anderem meine Qualifikation für Hawaii beim IM Barcelona) war klar, dass ich mit Raphael weiter an der Position arbeiten möchte. Dieses Mal in Kombination mit einem Aerotest im Velodrom, um die Einstellungen auch auf Aerodynamik zu überprüfen. Da im Triathlon, speziell auf der Langdistanz, das Radfahren die größte Zeit in Anspruch nimmt, ist eine komfortable Einstellung das eine, die Aerodynamik nochmal ein ganz anderes Thema.
Zweites Bikefitting und Vorbereitung des Aerotests
Das Refitting startete wieder mit einer Bestandsaufnahme in Sachen Beweglichkeit und Radvermessung. Glücklicherweise konnte ich meine Beweglichkeit gegenüber dem letzten Mal verbessern was uns neue Möglichkeiten der Sitzposition bot.
Wir passten erneut die Sattelposition leicht an und spielten dann ein wenig mit der Länge der Position und dem Abstand der Pads. Insgesamt versuchten wir eine etwas gestrecktere Position zu finden, die dennoch nicht umkomfortabler wird.
Der Aerotest im Velodrom
Die Einstellungen der Positionen, die wir als gut erachteten, notierten wir, um diese am folgenden Morgen im Velodrom in Frankfurt Oder in einem Aerotest zu checken. Dadurch erhofften wir uns eine Bestätigung, dass die Position(en) nicht nur mehr Komfort und bessere Kraftübertragung bringen, sondern auch auf der Straße fahrbar sind und aerodynamisch funktionieren. Der Bahntest bestätigte Raphaels Arbeit im Labor und so konnte ich mit einer weiteren Optimierung und dem Wissen, an welchen Stellschrauben ich arbeiten musste nach Hause fahren und die Position bis zum nächsten Test versuchen zu verinnerlichen.
Im Velodrom untersuchten wir alle potenziellen Zeitfahrpositionen auf aerodynamische Wirksamkeit. Mit dem Aerodynamik Messsystem von Aerotune ist es uns möglich unmittelbar zu erkennen, welche Position aerodynamisch besser oder schlechter funktioniert. Zusätzlich können wir einen Eindruck gewinnen, wie stabil eine Position unter wirklich wettkampfnaher Belastung funktioniert. „Shifted“ ein Fahrer häufig während der Belastung (bewegt sich auf dem Sattel in eine veränderte Lage um besser treten zu können), dann ist dies ein Zeichen von biomechanisch schlechter Effektivität. Im Falle von Flo war dies ein „No Brainer“. Die biomechanisch wirksamste Position war gleichzeitig auch die mit der besten aerodynamischen Performance. Win/Win!
Fazit
Trotz einer gewissen Skepsis vor dem Beginn unserer Fitting Zusammenarbeit meinerseits muss ich sagen, dass das Arbeiten mit Raphael sehr gewinnbringend war. Er setzt jemanden nicht nach Schema F auf’s Rad, nur weil die eine Position bei jemand anderem gut funktioniert hat. Genau das hatte ich mir im Vorfeld gewünscht – jemand der mich auf mein Rad, unter Berücksichtigung meiner Möglichkeiten, einstellt.
To be continued…