In diesem Bericht erzählt Paul seine Geschichte über die von uns betreute „Transformation“ vom Radprofi zum ambitionierten Läufer und die Hürden die uns dabei im Weg stehen. Wir haben, wie hier in blauer Schrift kommentiert, um den Artikel auch als generellen „Ratgeber“ auf dem Weg zu einer besseren Laufform aufzustellen.
Wie alles begann…
Bis zum Ende 2016 war ich Profiradsportler und konnte dort unter anderem mehrfach an der Tour de France teilnehmen. Nach dem Ende meiner Karriere habe ich die Seiten gewechselt und konzentriere mich seitdem auf die Tätigkeit als Trainer und Sportlicher Leiter im Radsport.
Um mich nach der aktiven Profisportlerkarriere fit zu halten, habe ich angefangen zu laufen. Da einfach nur laufen dann doch langweilig ist und in mir irgendwie noch der Wettkampftyp schlummert, hatte ich mich vor einiger Zeit entschlossen, den Berlin Halbmarathon und Marathon in 2020 anzugehen. Allerdings ist es auch mein Ziel rausfinden, was ich in der Lage bin zu leisten. Um meine Ziele zu erreichen, habe ich mich an Raphael gewandt, mit dem ich schon in anderen Projekten zusammenarbeite.
Paul’s Einstieg als Läufer ist sicherlich ein etwas Einzigartiger, dennoch gibt es einige Punkte die er mit allen anderen Läufern zu Beginn einer Formentwicklung gemeinsam hat.
Bei jedem Läufer ist die letztendliche Laufperformance zunächst natürlich von der reinen Ausdauerleistungsfähigkeit abhängig. Auf dieser Ebene ist Paul definitiv wahnsinnig gut ausgebildet (und sicherlich hier auch einigen Läufern schon voraus).
Allerdings kommt beim Laufen eine zweite Fähigkeit hinzu, die sehr wesentlich die Laufperformance beeinflusst und für Paul bis dato nicht so relevant war. Die Lauftechnik! Ein starker Motor ist beim Radfahren wie beim Laufen sehr entscheidend, aber beim Laufen ist es das A und O die „PS“ auch auf die Straße zu bringen.
Während man beim Radfahren mehr oder weniger „nur sitzt“ und sich passiv fortbewegt, muss beim Laufen der gesamte Bewegungsapparat mit jedem Schritt abgefangen, stabilisiert und wieder nach vorne geschoben werden. Dies ist wesentlich anspruchsvoller und auf dieser Ebene gibt es riesige Qualitätsunterschiede, die für uns in der Analyse und in der Entwicklung sehr wichtig sind!
Der holprige Start und die typischen Probleme beim Läufer
Ende 2019 habe ich mir beim Laufen eine Verletzung „reingelaufen“. Das bedeutet natürlich, dass ich die Beine hochlegen musste. Um mich nach der Zwangpause wieder auf den richtigen Weg zu bekommen – und auch um herauszufinden, woher die Probleme kommen – haben wir eine biomechanische Laufanalyse bei den Kooperationspartnern von RunScan durchgeführt. Die Analyse bestätigte die Annahmen von Raphael, dass ich eine instabile Hüfte habe und vorrangig an dieser Schwachstelle arbeiten muss.
Funktion und Ansteuerung der hüftumliegenden Muskeln sind extrem wichtig für einen effizienten Laufstil aber auch – besonders am Anfang – für beschwerdefreies Laufen. Die meisten Laufeinsteiger, aber auch einige fortgeschrittene Läufer haben – oft durch einen hohen Sitzanteil im Alltag bedingt – eine ausgeprägte Dysbalance der hüftumliegenden Muskeln. Die Hüftbeuger sind verkürzt, die tiefe Bauchmuskulatur und die Gesäßmuskeln meist schwach und der untere Rücken häufig (als Folge davon) sehr verspannt. Mit dieser Ausgangssituation wird es schwer, die Hüfte beim Laufen in der Stützphase funktional zu halten und nach vorne zu bringen. Beides entscheidende Aspekte der effizienten Laufbewegung.
Als Folge der mangelhaft ausgebildeten muskulären Situation bedient sich der Körper oft kompensatorisch kleinerer Hilfsmuskulatur, die dann meist früher oder später mit Überlastungssymptomen Probleme machen. So ist z.B. das „Läuferknie“ oft eine Überreizung des sogenannten Iliotibialis-Bandes (IT-Band) durch eine zu hohe Aktivierung des Gluteus medius und verfestigten Tensor Fascia Latae (TFL). In diesem Fall hilft spezifisches Dehnen, (physiktherapeutische) Behandlung des IT-Bands und funktionale Kräftigungsübungen der hüftumliegenden Muskelgruppen!
Trainingssteuerung mittels Lauf Leistungsdiagnostik
Nach der Laufanalyse stand dann meine erste Leistungsdiagnostik mit einem INSCYD-Test an. Die Ergebnisse waren sicherlich besser als erwartet, aber die Schwachstelle im System war immer noch die Instabilität.
Die Zahlen in Pauls Lauf Leistungsdiagnostik waren überragend für einen Einstieg. Mit einer VO2max von ca. 70 ml/min/kg attestierten wir seine Ausdauerleistungsfähigkeit erwartungsgemäß als sehr hoch. Auch seine Fettstoffwechselrate in den unteren Bereichen zeigte sich als sehr effektiv! Jedoch sahen wir Defizite in der Laufökonomie.
Mit einer derartigen aeroben Kapazität ist es Läufern normalerweise möglich, auch höhere Geschwindigkeiten gut zu realisieren. In einem 3min All-Out Intervall sahen wir jedoch einen relativ geringen Output und sehr viel ineffektive Bewegung, die zwar Energie verbrauchte aber nicht vortriebswirksam war. Pauls Organismus war also in der Lage viel Leistung zu produzieren aber der Muskelapparat noch nicht, diese auch im Laufen umzusetzen. Dies untermauerte die absolute Notwendigkeit der Verbesserung der Laufeffizienz an erster Stelle.
Training der Laufeffizienz mit dem Laufpowermeter STRYD
Mittlerweile haben wir die Problematik mit der Instabilität in den Griff bekommen und können anfangen an meiner Lauftechnik zu arbeiten. Dazu holen wir uns auch externe Experten an die Seite. Ein Tool was mir noch sehr viel helfen wird ist der Stryd. Stryd ist einfach gesagt ein Leistungsmesser für das Laufen.
Für die ständige Analyse der Laufeffizienz ist der Stryd Laufpowermeter ein wirklich sehr aussagendes Tool. Wir nutzen den Stryd während der Leistungsdiagnostik wie auch beim Training. Wir können so gezielt die analysierten Leistungszahlen aus dem Labor auch ins Feld übertragen (denn jeder Läufer weiß, dass Laufen auf dem Laufband und draußen nicht das Selbe sind). Vielmehr können wir aber sehen, ob sich bei gegebener Herzfrequenz oder Pace die Lauf Power verändert und welche Marker dafür verantwortlich sind. Außerdem ermöglicht uns der Stryd gezielte Veränderungen der Lauftechnik anzuweisen, wie eine Veränderung der Schrittlänge, des Kniehubs oder der Schrittfrequenz!
To be continued…