Wie kannst du dein wattgesteuertes Training optimieren? Und warum wirkt sich das selbe Training auf zwei Menschen völlig unterschiedlich aus?
Wir wollen mit diesem Artikel zeigen, dass wattgesteuertes Training nur auf der Basis des reinen Power outputs nicht alles ist, wenn du wirklich deine Fitness verbessern willst.
Das Problem mit der Geschwindigkeit
Stell dir vor du bist ein Athlet, der seine Leistungsfähigkeit verbessern will und hast als Maß für deinen Fortschritt nur deine Durchschnittsgeschwindigkeit. Dieser Ansatz funktioniert natürlich nicht, da die Geschwindigkeit keine verlässliche Kennzahl für die Fitness ist: die Geschwindigkeit wird von zu vielen Faktoren beeinflusst (Streckenprofil, Seitenwind, Gegenwind, Material, Kleidung …), welche alle keine zuverlässigen Messwerte zur Verbesserung der Fitness darstellen. Nimmt man die Geschwindigkeit als Maß für Fitness, sind Tage mit viel Gegenwind sicher nicht gut für die Moral, wie das nachfolgende Beispiel an einem STRAVA Segment zeigt.
Wir haben das „Geschwindigkeitsbeispiel“ natürlich ad absurdum geführt, aber nur, um dir einen ersten Vergleich zu geben. Ähnlich wie mit dem Training auf Basis der Geschwindigkeit, verhält es sich mit dem Training rein auf Basis des Power outputs. Auch hier ist die Möglichkeit eingeschränkt, die Leistung durch wattgesteuertes Training wirklich effizient zu verbessern.
Aber warum ist das so? Sind beispielsweise 300 Watt nicht immer 300 Watt?
Die Analyse deines Training auf Basis der Wattleistung ist sicher um einiges aufschlussreicher als die Geschwindigkeit, aber es ist weiterhin nicht alles. Ab einem gewissen Punkt wirst du damit nicht weiterkommen und Probleme haben, deine spezifischen Ziele (ob bei einem Ironman oder bei der Verbesserung des Sprints) gezielt zu erreichen.
Der Grund ist, dass das Training mit absoluten Wattzahlen bisher häufig auf der anaeroben Schwelle oder FTP basiert. Die Functional Threshold Power wirkt wie ein „Alleskönner“; Sie kann dir zeigen WAS bzw. WIEVIEL du trainierst, aber sie beantwortet nicht nie WIE du trainieren solltest.
Unsere FTP Studie konnte dies bereits zeigen. Hierbei ließen wir 18 Probanden für 60 Minuten an ihrer zuvor ermittelten FTP fahren. Man sieht, dass die Probanden die Leistung physiologisch auf sehr unterschiedliche Art realisieren. Manche bilden sehr viel Laktat und tolerieren es. Manche bilden sehr wenig Laktat, obwohl sie dabei aber ebenfalls nahe der FTP belastet sind.
Das Problem ist, dass du keine Rückschlüsse darauf ziehen kannst, WIE sich die Leistung an der FTP zusammensetzt. Du „spürst“ es nicht. Die FTP gibt keine genaue Aussage über die Energiebereitstellung, die maximale Fettverbrennung oder die VO2 max. Ganz im Gegenteil, du kannst nur eine Trainingsintensität genau bemessen: die Intensität eben an dieser Schwelle oder FTP. Eine Antwort auf die für den Athleten wirkungsvollsten Trainingsinhalte findet man erst bei der Betrachtung der Zusammensetzung der Leistung.
Um wirklich zu verstehen, was deine Leistung limitiert, musst du über Schwelle / FTP hinaus und in deinen Körper und in die Muskulatur schauen
Um ein genaues Bild zu bekommen und deine Leistungsfähigkeit exakt zu verstehen, musst du verstehen, wie Leistung zusammengesetzt ist. Mit anderen Worten: Du musst wissen, was hinter deinem Power output steht. Nur dadurch lassen sich deine Trainingszonen so gezielt definieren, dass du deine angestrebten Ziele auch wirklich erreichen kannst.
Leistung wird immer von mehreren verschiedenen Energiesystemen in deinen Muskeln erzeugt, jedoch setzt sie sich aus sehr unterschiedlichen Prozentsätzen zusammen. An der Realisierung einer länger andauernden Leistung sind primär zwei Energiesysteme beteiligt. Das sogenannte anaerobe und das aerobe System.
Verschiedene „Stoffwechselsysteme“ realisieren im Zusammenspiel deine Leistung
Das anaerobe System beschreibt den Abbau von Kohlenhydraten (über Pyruvat) zu Laktat. Dieses System kann in kurzer Zeit sehr viel Energie freisetzen, daher wird es stark bei höheren Intensitäten und schnellen Beschleunigungen beansprucht. Bemessen wird das System über die Fähigkeit maximal viel Laktat in kurzer Zeit zu produzieren (sogenannte maximale Laktatbildungsrate = VLamax).
Das aerobe System beschreibt die Weiterverarbeitung von Laktat (über Pyruvat) und Fetten unter Zunahme von Sauerstoff. Dieses System kann vor allem über die Fettverbrennung stetig Energie produzieren, ist aber etwas „träger“. Die maximale Energiemenge die hierüber gewonnen werden kann, wird über die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max) bemessen.
Zu wissen wie hoch die beiden Systeme in deinem Organismus ausgebildet sind und zu verstehen, wann sie welchen Beitrag an deinem Leistungsoutput übernehmen ist essentiell für Training- und Wettkampfsteuerung. Warum, erklären wir dir im nachfolgenden Abschnitt.
Stoffwechselsysteme im Ergebnis einer Leistungsdiagnostik
Schauen wir einmal auf das Ergebnis zweier Sportler in dem sogenannten Rampentest. Mit einer Steigerung von 35 Watt pro Minute werden beide Fahrer bis zur absoluten Erschöpfung belastet. Beide Sportler fahren den Rampentest bis zur annähernd gleichen Leistung (459W vs. 470W). Sind die beiden Sportler gleich stark? Bei diesem Rampentest sicher, sie erbringen die gleiche Leistung! Wohlmöglich wären sie auch in Zeiträumen von 3-5 Minuten sehr ähnlich in ihrer Leistungsfähigkeit. Auf länger andauernden und auch kürzeren Belastungen wird das aber ganz anders aussehen!
Es bestehen drastische Unterschiede, wie die beiden Sportler die Leistung im Rampentest realisieren. Man erkennt, dass Sportler 1 eine kleinere VO2 max vorweist (blaue Kurve, 48 ml/min/kg) als Sportler 2 (62 ml/min/kg). Trotzdem erbringt er die gleiche Leistung. Wie ist das möglich?
Sportler 1 schöpft wesentlich mehr Leistung aus dem anaeroben System. Obwohl seine maximale Sauerstoffaufnahme lange erreicht ist (man beachte das lange Plateau der blauen Kurve), fährt er weiter und weiter und regelt dabei immer weiter sein anaerobes System hoch. Am Ende ist die Fläche unter dem Dreieck bildlich stellvertretend für die Leistung, die er aus dem anaeroben System schöpfen konnte. Sportler 2 kann – zusätzlich zu seinem aeroben System – nicht besonders viel aus dem anaeroben System „drauf packen“. Seine Fläche unter dem Dreieck ist verhältnismäßig klein und sein Plateau schwach ausgeprägt. Entsprechend hat Sportler 1 im Ausgang der Rampe einen Laktatwert von 14,1 mmol/l und Sportler 2 hingegen nur 10,7 mmol/l.
Wenn du verstehst wie deine Leistung zusammengesetzt ist, kannst du dein wattgesteuertes Training gezielter ausrichten
Sobald du deine Trainingseinheiten mit deinen physiologischen Gegebenheiten in Verbindung bringen kannst, verstehst du wie du dein wattgesteuertes Training tatsächlich optimieren und spezifisch auf deine Ziele hin trainieren kannst.
In unserem Beispiel müsste Sportler 1 definitiv sein wattgesteuertes Training auf den Ausbau des aeroben Systems ausrichten. Da er aber über eine hohe Aktivität des anaeroben Stoffwechsels kommt, sollte er gelichzeitig versuchen, sein anaerobes System etwas zu „drosseln“. Dies würde er mit klassischem Grundlagentraining, Nüchterntraining und austariertem intensiveren Training knapp unterhalb der Schwelle erreichen. Sportler 2 hingegen sollte sein wattgesteuertes Training ebenfalls darauf ausrichten, die VO2 max weiter zu verbessern. Neben einigen Grundlageneinheiten kann er aber vor allem mit hochintensivem Training in den wichtigen Bereich nahe der maximalen Sauerstoffaufnahme gehen.
Fehlinterpretation von Leistungsdaten ohne physiologische Kenntnisse
Schauen wir uns das folgende Beispiel an, um zu erklären, warum es essentiell ist, einen Power output auch beim Training „von innen“ zu betrachten.
Denken wir uns einen exemplarischen „Tag 1“, bei dem du 4 Minuten lang 475 Watt leistest (alle Achtung!). Danach folgst du zwei oder drei Monate lang einem „spezifischen“ Training mit vielen hoch intensiven Einheiten.
Schließlich gibt es einen weiteren exemplarischen „Tag 2“ – bei dem du deine Leistungsfähigkeit erneut testest und wir überprüfen, wie sich deine Leistungsfähigkeit während des Trainingszeitraums verändert hat.
An diesem exemplarischen „Tag 2“ hast du erneut 4 Minuten lang 475 Watt geleistet (erneut: eine starke Leistung!). Bedeutet dies, dass dein Training nicht funktioniert hat? Unter Umständen nicht, da der Teufel im Detail steckt! Physiologisch betrachtet, kann die Umsetzung dieser beiden Leistungen sehr unterschiedlich sein, aber zur gleichen Gesamtleistung geführt haben.
Bei genauer Betrachtung liegen zwischen ,,Tag 1‘‘ und ,,Tag 2‘‘ sehr viele Anpassungen. Die Gesamtleistung blieb jedoch gleich, da gegenläufige Entwicklungen stattgefunden haben.
Trainingsfortschritt richtig interpretieren
Im Beispiel stammte deine Energie am Tag 1 hauptsächlich aus dem aeroben Stoffwechsel (413 Watt oder 87%) und nur zu 5% aus dem anaeroben Stoffwechsel (27 Watt).
Am zweiten Tag, also nach deinem Trainingsblock, war deine Leistung auf eine ganz andere Art und Weise zusammengesetzt: Der aerobe Energiebeitrag ist auf 396 Watt der Gesamtleistung (oder 83%) gesunken und auch die Prozentsätze der anderen Stoffwechselsysteme waren sehr unterschiedlich. Die Leistung des anaeroben Stoffwechsels ist auf 52 Watt (11%) angestiegen.
Ohne den Poweroutput ,,von innen‘‘ zu betrachten, würdest du nun zu dem Schluss kommen, dass die drei Monate anstrengenden Trainings keinerlei Anpassungen mit sich gebracht haben.
Wenn du dir das Gesamtbild allerdings ,,von innen‘‘ anschaust, würdest du herausfinden, dass das Training tatsächlich deine Leistungsfähigkeit beeinflusst hat. Es haben sich sogar alle beteiligten Energiesysteme, aus denen sich Ihre Leistung zusammensetzt, durch das Training angepasst. Jedes von ihnen hat sich in eine andere Richtung entwickelt. Wenn du jedoch nur deine Leistungsabgabe betrachtest, würdest du die falschen Schlüsse ziehen.
Deine Belastung verstehen heißt Fehler im wattgesteuerten Training vermeiden
Eine solch detaillierte Betrachtung des Ursprungs einer Leistung erlaubt es dir also herauszufinden, auf welche Weise sich einzelne Trainingskomponenten auf deinen Organismus ausgewirkt haben. Schaltest du diese Analyse vor dein wattgesteuertes Training hast du damit die Möglichkeit, zukünftige Trainingsprogramme ohne unerwünschten Effekte zu gestalten. In unserem Beispiel wäre der unerwünschte Effekt, dass die aerobe Leistungsfähigkeit durch dein Training verringert wurde, weil die Belastung zu sehr das anaerobe System forderte.