Den perfekten Rennrad Sattel auszuwählen stellt die meisten Menschen vor ein nahezu unlösbares Problem. Auf dem Markt wirkt man überflutet von diversen Modellen und Konzepten. Ausgiebig testen und sich dadurch eine fundierte Meinung bilden kann man aber leider selten.
Wir erklären, wie du mit ein paar simplen Selbsttests und Überlegungen den passenden Rennrad Sattel auswählst
Die meisten behelfen sich mit Empfehlungen oder Lesen von Rezensionen, aber die Meinungen über „gute“ und „schlechte“ Rennrad Sättel gehen oft sehr weit auseinander. Überwindet man sich dann doch zu einem Kauf, muss man häufig ernüchternd feststellen, dass der angepriesene Rennrad Sattel für einen Selbst so gar nicht funktioniert.
Wir glauben, dass das nicht sein muss und wollen mit diesem Artikel eine Guideline geben, wie man den richtigen Rennrad Sattel Typ für sich bestimmen kann.
Wer direkt ohne Lesen erfolgreich seinen perfekten Rennrad Sattel finden möchte, der kann uns auch direkt für eine Beratung kontaktieren (auch online möglich).
Schritt 1: Wie sitzt du „richtig“ auf dem Sattel?
Checke deine Beweglichkeit um den perfekten Rennrad Sattel zu bestimmen!
Welche Rennrad Sattel Form die Geeignetste ist, lässt sich nicht ausschließlich auf die Sitzknochenbreite oder deine Radposition zurückführen. Vielmehr ist die Art und Weise wie du auf dem Sattel sitzt auch eine grundsätzliche Frage der Beweglichkeit. Die Mobilität und Funktionalität der hüftumliegenden Muskeln bestimmt in hohem Maße die Beckenausrichtung auf dem Rad!
Um die Beckenbeweglichkeit zu testen, beugt man am einfachsten seinen Oberkörper bei durchgestreckten Beinen mit geradem Rücken nach vorne. In dem Moment kann man ablesen, wie stark sich das Becken nach vorne rotieren lässt. Hier gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen. Einige Menschen weisen eine stark und andere eine schwach ausgeprägte Beckenrotationsfähigkeit auf.
Bei der Wahl der Sattelform lässt sich hier eine erste Relation ableiten. Menschen mit stark vorrotiertem Becken werden häufig bevorzugt auch auf dem Rad in eine ähnliche, vorrotierte Beckenlage gehen. Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, werden auch auf dem Rad oft in einer aufrechten Beckenlage bleiben. Folglich wird das Becken eher im vorderen Teil (auf den Schambeinkufen) oder im hinteren Teil (auf den Sitzhöckern) belastet. Die passenden Sattelformen wären entsprechend die V-Form für „Schambeinbelaster“ und die T-Form für „Sitzknochenbelaster“. Mehr dazu später…
Schritt 2: In welcher Lage möchtest du dich auf dem Rad befinden?
Checke deine Radposition und lerne wie auch die Lenkerposition deine Sattellage beeinflusst!
Einmal die Hüftbeweglichkeit festgestellt, bleibt die Frage wie der Körper und vor allem das Becken auf dem Rad positioniert ist. Generell kann man sich hier an der „Faustregel“ orientieren: Je aggressiver (länger und überhöhter) eine Position, desto mehr verlagert sich die Last auf dem Rad (und eben oft auch auf dem Sattel) nach vorne. Je entschärfter (kompakter und flacher) eine Position, desto mehr sitzt man hinten auf dem Rad und nimmt entsprechend mehr Gewicht auf dem Sattel mit aufrechterer Beckenlage auf.
Idealerweise orientiert sich die Grundeinstellung des Rads (z.B. die Sattelüberhöhung) bereits an der Beweglichkeit. Menschen mit mangelnder Beckenrotationsfähigkeit (siehe Abschnitt 1) tun demnach nicht unbedingt gut daran, eine sehr aggressive Position zu fahren. Im Gegensatz dazu ist es häufig nachteilig für sehr bewegliche Menschen in einer sehr entschärften Position zu fahren.
Schon bereits bei der fokussierten Selbstwahrnehmung während des Radfahrens kann man häufig erahnen was für ein Sattelbelaster man ist.
Merkt man eher punktuellen, stark knöchernen Druckschmerz auf den Sitzknochen befindet sich das Becken meist in einer sehr aufrechten Lage (und die Sitzposition ist häufig sehr nach hinten orientiert). Side Fact: Auch Schmerzen im unteren Rücken gehen oft mit einer muskulären Belastung bei aufrechter Beckenlage und einer gleichzeitig zu extrem überhöhten Position einher.
Verspürt man eher ein weiches aber zunehmendes „Eindrücken“ im Damm- bzw. Intimbereich (dem sogenannten Perineum) und hat häufig mit Taubheitsgefühlen zu tun, dann ist das Becken meist vorrotiert. Randnotiz: Hier wird sehr gern versucht eine Druckentlastung zu schaffen, indem die Sattelnase etwas nach unten geneigt wird. Dieser Weg entlastet zwar das Perineum, führt aber zu Instabilität auf dem Sattel (man rutscht nach vorne auf dem Sattel). Es muss dann aktiv Energie aufgewandt werden um den Körperschwerpunkt auf dem Sattel zu halten, was ungünstig ist. Hier können sogar als Folge dessen unangenehme Spannung in der Haltemuskulatur oder taube Hände entstehen.
Schritt 3: Die erste Vorauswahl treffen
V-Form und T-Form als verschiedene Rennrad Sattelformen
Die Hersteller konzipieren verschiedene Rennrad Sattelformen um den diversen Belastungssituationen auf Rennrädern gerecht zu werden. Betrachtet man die verschiedenen Sattelkonzepte, so lassen sich – sehr grob betrachtet – zwei grundlegend unterschiedliche Sattelkonzepte verstehen: Die sogenannte V-Form und die T-Form.
Die V-Form Rennrad Sättel wollen das Becken in einer vorrotierten Lage unter den Schambeinkufen stützen und gehen von einer entsprechend sportlichen Position und Lage auf dem Rad aus. T-Form Sättel sind oft etwas flächiger im hinteren Teil des Sattels und wollen hier das aufrechtere Becken unter den Sitzbeinhöckern komfortabel stützen. Diese Sättel machen demnach häufiger Sinn bei entspannteren, aufrechteren Positionen.
Der maßgebliche Unterschied der beiden Sättel liegt im Prinzip im Mittelbereich der Druckaufnahme. Fährt jemand mit aufrechter Beckenlage auf einem V-Form Sattel wird er häufig über einen unangenehmen Kontakt am Übergang von Po zu Oberschenkelinnenseite klagen. Dies liegt daran, dass die Beine bei aufrechter Beckenlage förmlich an die Breiten v-förmigen Kanten des mittleren Teils „stoßen“ und dort unangenehme Druckspitzen erzeugen. T-Form Sättel geben hier mehr Beinfreiheit durch eine stärkere Taillierung (wodurch auch letztlich das „T“ erzeugt wird).
Umgekehrt ist es ebenfalls ungünstig. Fährt man mit vorrotiertem Becken auf einem T-Form Sattel, fehlt häufig etwas Sattelfläche im Mittel- und Vorderteil des Sattels. In dem Moment verteilt sich das Gewicht der belasteten Schambeinkufen auf einen zu kleinen Bereich und löst punktuellen Druck im Perineum aus.
Schritt 4: Wie Drucksensibel bist du?
Erspüre deinen Sitzkontakt und wähle die richtige Aussparung!
Gerade für Menschen mit gut beweglichem Becken und Fahrer in sportlichen oder renn-dynamischen Positionen sind Rennrad Sättel mit „Aussparung“ sehr wichtig. Egal ob grundsätzliche T-Form oder V-Form, in beiden Fällen ist es wichtig, dass das Becken in der Dynamik der Bewegung situativ oder eben dauerhaft nach vorne rotieren kann OHNE PERINALEN DRUCK zu erleiden.
Aussparungen auf Rennrad Sätteln erlauben es dem Becken nach vorne zu rotieren bei gleichzeitiger Entlastung dieser sensiblen Sitzregionen. Wie die Aussparung geformt ist, ob eine kleine Vertiefung oder doch ein großer Ausschnitt (sogenannter Cut-Out) geeigneter ist hängt sehr stark von der letztendlichen Beckenlage und der Druckempfindlichkeit ab. Hier sollte man am Ende im Finetuning unbedingt testen und mehrere Sättel eines Typs mit unterschiedlich geformten Entlastungsbereichen ausprobieren. Im Idealfall haben Sattelhersteller sogar ihr Modell in einer Variante mit kleinerem Kanal und größerem, kompletten Cut-Out.
Fazit: Den individuell passenden Rennrad Sattel wählen
Generell gilt: Man sollte zunächst versuchen seine Sitzprobleme zu differenzieren und seine Beckenlage auf dem Rad wahrzunehmen. Diese Beckenlage lässt sich durch die Positionierung des Sattels beeinflussen, ist aber grundsätzlich ein wenig durch die Beweglichkeit bedingt.
Menschen mit sportlicher Position und häufigem Druckschmerz bzw. Taubheitsgefühlen im vorderen Sitzbereich sollten über einen V-Form Sattel nachdenken. Hier haben sich moderne, kompakte Sattelformen mit großzügigen Cut-out bewährt. Menschen mit sehr gerade aufgestelltem Becken und eher punktuellem Druckschmerz unter den Sitzhöckern, sollten über einen T-Form Sattel mit mehr kontaktaufnehmender Fläche und Platz für die steile Beinrotationsbewegung nachdenken.
Wir können dich zu der richtigen Auswahl des Sattels ideal (auch online) beraten!
Der „passende“ Rennrad Sattel muss zur anatomischen Struktur und individuellen Lage des Beckens auf dem Rad passen. Oberflächenbeschaffenheit, Lage und Form des Cut-Outs sowie Sattelbreite und Sattelform beeinflussen am Ende im komplexen Zusammenspiel die Druckverteilung und Komfortgefühl auf dem Sattel. Hat man aber einmal eine Vorstellung von seinem Sattel „Typ“, dann kann man in diesen Kategorien 2-3 Modelle testen und landet sehr schnell bei der perfekt passenden Option.
Beachte ebenfalls: an welcher Stelle sitzt dein Rennrad Sattel?
Jeder Sattel funktioniert erst in der richtigen Lage!
Einer der wichtigsten Punkte beim Thema Rennrad Sattel bleibt am Ende aber (im Prinzip allen voran) die Positionierung deines Sattels. Geschätzt etwa 50% der Menschen, die über Sattelprobleme klagen, können wir in unseren Bike Fittings nur durch eine Lageveränderung ihres Sattels helfen! Dabei spielt allein die eingestellte Höhe des Rennrad Sattels eine extrem zentrale Rolle!
Das häufigste (und gleichzeitig aber auch logischste) Problem ist ein zu hoch eingestellter Sattel! Ist ein Rennrad Sattel zu hoch eingestellt, müsste das Bein in der unteren Phase der Tretbewegung stark gestreckt werden. Um eine nicht mehr funktionale Streckung des Beins zu umgehen, kompensieren die meisten Menschen allerdings (ohne es direkt zu bemerken) und umgehen somit erstmal das Problem des zu gestreckten Beins:
1. Sehr häufig beobachtet man in diesen Fällen, wie sich der Fahrer „automatisch“ in den vorderen Bereich des Sattels orientiert um sich dem Tretlager anzunähern.
2. Auch kann man oft eine kippende Bewegung des Beckens hin zum sich Streckenden Bein sehen (und auch spüren).
Beide Bewegungen führen unweigerlich zu einer schlechteren Belastung des Sattels. Es kann sich in dem Fall so anfühlen, als ob man ein Schambeinbelaster wäre (weil man viel Druck im Perineum) verspürt. In Wirklichkeit steht das Becken aber schon noch sehr aufrecht und der perinale Druck ist einfach eine Belastung des Sattels an völlig falscher Stelle aufgrund der zu hohen Satteleinstellung.
Welche Rolle spielt die Sattelbreite
Die Breite des Sattels spielt am Ende bei der Auswahl des richtigen Sattels eher eine sekundäre Rolle. Die Breite des Rennrad Sattels ist auf jeden Fall wichtig, aber auf keinen Fall primär alleinig entscheidend für den Sitzkomfort!
Das Problem was bei den Konzepten der Sitzknochenvermessung entsteht ist im Wesentlichen das Missachten der individuellen Beckenbeweglichkeit und Funktionalität. Um vom Sitzknochenabstand auf die letztlich passende Sattelbreite zu schließen, brauch man – als zweiten Teil der Gleichung – die Rotation des Beckens.
Es kann hierbei „leider“ einfach nicht pauschal angenommen werden, dass sich jeder Mensch gleich verhält. Nicht jeder, der in einer sportlichen Radeinstellung fährt, begibt sich mit seinem Körper (und vor allem mit seinem Becken) in die gleiche entsprechende sportliche Lage. Viele Menschen bleiben selbst in extrem aggressiven Positionen sehr aufrecht in ihrer Beckenlage und arbeiten hier sogar funktional. Die Sattelbreite sollte letztlich nur ein sekundärer „Fine-Tuning“ Aspekt sein, wenn die Position und die Lage des Fahrers mit dem richtigen Satteltyp ermittelt wurde!